Token in der Unternehmensfinanzierung

Autor: Alena Thalmann, Stand 29. September 2022; bearbeitet von hauser@m-win.ch, Tel. +41 (52) 269 21 11

Durch die Einführung der Blockchain-Technologie wurden in der Unternehmensfinanzierung neue Türen geöffnet. Vor allem Start-Ups und Jungunternehmen nutzen die neuen und lukrativen Finanzierungsmöglichkeiten, welche auf sog. «Initial Coin Offerings» (ICOs) und seit Neuerem auch auf «Security Token Offerings» (STOs) basieren. Die beiden Finanzierungsformen sind grundlegend verschieden, mit Ausnahme davon, dass sie beide auf der Blockchain-Technologie basieren, die Unternehmen sog. Token (= digitale Einheiten) ausgeben und im Gegenzug dafür etablierte Kryptowährungen oder Fiatgeld [1] erhalten. Im Weiteren wird zum Verständnis erst auf die verschiedenen Arten von Token und danach im spezifischen auf ICOs eingegangen.

1. Arten von Token 

Weder in der Schweiz noch international besteht eine Klassifizierung von Token, die allgemein anerkannt ist. Die FINMA unterscheidet allerdings drei funktionalen Arten von Token, welche sich nicht gegenseitig ausschliessen und auch in Mischform vorkommen können: 

  • Zahlungs-Token = «sind mit reinen «Kryptowährungen» gleichzusetzen, ohne mit weiteren Funktionalitäten oder Projekten verknüpft zu sein. Token können in gewissen Fällen erst mit der Zeit die notwendige Funktionalität und Akzeptanz als Zahlungsmittel entwickeln.» [2] 
  • Nutzungs-Token («Utility Token») = «sind Token, die Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung vermitteln sollen.» [3] 
  • Anlage-Token («Asset-Token») = «repräsentieren Vermögenswerte wie Anteile an Realwerten, Unternehmen, Erträgen oder Anspruch auf Dividenden oder Zinszahlungen. Der Token ist damit hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Funktion wie eine Aktie, Obligation oder ein derivatives Finanzinstrument zu werten.» [4] 

2.     Initial Coin Offering 

2.1 Definition und Inhalt 

Beim ICO handelt es sich um eine digitale Form der öffentlichen Kapitalbeschaffung für unternehmerische Zwecke, welche auf der Basis der Blockchain-Technologie basiert. Der Begriff ICO entstand in Anlehnung an IPO («Initial Public Offering»; oder Deutsch «Börsengang»), da es als Alternative zum Börsengang angesehen werden kann, mit dem Unterschied der Abwicklung über die Blockchain-Technologie. Da das ICO meist für die erstmalige Aufnahme von Kapital verwendet wird, sollte es allerdings eher mit Risikokapital (sog. Venture-Capital) verglichen werden als mit Börsenkapital.  

Vor dem öffentlichen «Crowdfunding» wird ein sog. White Paper durch die Start-ups erstellt, in welchem das Geschäftsmodell beschrieben wird und an welchem sich die Investoren orientieren können. Die ausgegebenen Token, die Investoren nach einer Investition erhalten, können unterschiedliche Funktionen haben wie z.B. Zugangsrechte zu einer Plattform oder eine Art virtuellen Gutschein, wodurch es dem Investor später möglich wird eine digitale Dienstleistung oder Produkte, wie z.B. Speicherplatz, zu beziehen. 

2.2 Abgrenzung ICO und ITO 

Im Zusammenhang mit ICO stösst man immer wieder auf den Begriff «Initial Token Offering» (ITO). In der Praxis werden diese Begriffe oftmals als synonyme verwendet, da sie das gleiche Ziel verfolgen. ICOs nutzen allerdings eigens programmierte Blockchain, während ITOs sich einer schon vorhandenen Blockchain mittels Smart Contracts bedienen. Da die beiden Formen im Kern allerdings gleich sind, werden sie Folgend als Synonyme betrachtet und es wird nur noch der Begriff ICO verwendet, da dies die gängigere Form ist.  

2.3 Vor- und Nachteile 

Das ICO ist eine schnelle, einfache und kostensparende Art Kapital zu beschaffen, ohne einen grossen bürokratischen Aufwand zu haben. Gemäss den Gründern des jeweiligen Tokens handelt es sich nämlich um Utility Tokens die ausgegeben werden, durch welchen man auf die dezentralen Anwendungen oder nativen Plattformen zugreifen kann. Der Hauptzweck der Tokens ist also der Gebrauch und nicht eine Investition wie beim Security Token. Aus diesem Grund ist es Unternehmen, die auf der Blockchain des ICO basieren, möglich, zur Aufnahme von Kapital regulierte Prozesse sowohl der Börse als auch von offiziellen Finanzbehörden (wie z.B. der SEC [5] oder der FINMA) zu umgehen. Ausserdem können Unternehmen durch die Einordnung ihres Token als Utility Token Kapital beschaffen, ohne dass sie dabei ihre Unabhängigkeit verlieren, da die Investoren keine Stimmrechte erhalten.  

Was für die Unternehmen von Vorteil sein kann, kann für Investoren allerdings als Nachteil angesehen werden. Da es sich bei den Utility Token wie schon erwähnt «nur» um Nutzungsrechte einer Plattform handelt und nicht um eine Unternehmensbeteiligung, stellen sie für Investoren eine eher vage bzw. risikoreiche Investition dar. Trotzdem wird viel in ICO investiert, da sich die Menschen hier meist nicht nur als Investoren ansehen, sondern als Teil einer Community und als frühe Plattformnutzer. Es überrascht daher auch nicht, dass die Meisten aktiv daran interessiert sind, was im jeweiligen Projekt vor sich geht und oftmals zusätzlich als Werbebotschafter agieren. 

Durch die fehlende Regulierung und die Zugänglichkeit für Jedermann, hat sich eine weitere Schattenseite entwickelt: Betrug. Anhand des sog. ICO-Betruges, welcher zu den häufigsten Arten von Kryptowährungsverbrechen zählt, sammeln Fake-Startups Kapital ein und verschwinden danach von der Bildfläche.1 Fraglich ist daher, weshalb nicht schon längst eine Regulierung vorgenommen wurde, welche diesem Problem entgegenwirkt. Die Antwort darauf ist allerdings relativ einfach: ICOs besitzen einen internationalen Charakter, weshalb eine Einordnung auf nationaler Ebene grosse Schwierigkeiten bereitet.

2.4 Rechtliche Einordnung der FINMA 

Gemäss der FINMA werden Utility Token im Normalfall nicht als Effekten, d.h. als handelbare und fungible Wertpapiere, qualifiziert. Aus diesem Grund ziehen sie keine finanzmarktrechtlichen Konsequenzen mit sich. Sobald die Token aber in ihrer wirtschaftlichen Funktion auch oder nur als Anlage angesehen werden können, werden sie von der FINMA als Effekte angesehen und entsprechend so behandelt (s.u.). 

Wenn Sie Fragen haben oder Unterstützung benötigen, können Sie gerne auf uns zukommen.

Interessiert mich (Email an sekretariat@m-win.ch; wir melden uns)

[1] Bei Fiatgeld handelt es sich um Zahlungsmittel, die keinen eigenen inneren Wert besitzen, sondern ihre Kaufkraft durch einen rein fiktiven Wert erhalten, der künstlich (z.B. durch den Staat) ins Leben gerufen wird. Voraussetzung dafür ist, dass die Nutzer an den Wert der Währungen glauben, ähnlich wie bei Kryptowährungen. 

[2] https://www.finma.ch/de/news/2018/02/20180216-mm-ico-wegleitung/ 

[3] Ibid. 

[4] Ibid. 

[5] SEC steht für «Securities and Exchange Commission». Es handelt sich dabei um die Aufsichtsbehörde für das Wertpapiergeschäft in den USA.